Zentral-Anatolien – Veni, Vidi, Vici
Jede Stadt mit wenigen Museen und viel Gastronomie ist für uns perfekt, da wir mit gutem Gewissen die kulinarischen Angebote genießen können, ohne den Druck, die vielen Museen zu besuchen. Genau das fanden wir in Beypazari. Ja, die ottomanischen Häuser sind recht hübsch, aber so aufregend sind Holzhäuser auch nicht, vor allem da Guy gegen das behandelte Holz allergisch zu sein scheint. Wir entdeckten die leckerste Suppe, die wir seit langem gegessen haben: Anatolische Suppe, die gefüllte Weinblätter enthielt, die dann püriert und mit anderen Zutaten kombiniert wurden.
Der beste Teil der Stadt waren die alten Straßen, in denen viele Handwerker arbeiteten, von Schmieden bis zu Teehändlern. Es war schön zu sehen, wie ein Ort die türkischen Traditionen bewahrt und durch Tourismus unterstützt. Wir waren die einzigen Ausländer, und ansonsten kamen die meisten Touristen aus Ankara.
Auf dem Anatolischen Plateau gab es nur wenige Unterkunftsmöglichkeiten. Allerdings war das Terrain sehr entlegen und daher gut für Camping geeignet. In einer Nacht campten wir auf einem Hügel, wo wir meilenweit sehen konnten. Um uns herum war allerdings gar nichts, nur leere Hügel und ein paar riesige abgeerntete Felder, und nachts wachten wir auf, als mehrere Eulen über unserem Zelt herumkreisten.
In der folgenden Nacht campten wir wieder hoch oben auf einem Hügel, aber dieses Mal fanden wir den Nachteil heraus: Wind. Am Anfang war es nur eine windige Nacht, aber dann wurde es schon etwas stürmisch, und der Wind wechselte andauernd die Richtung. Dabei gab es ein Gewitter, das je nach Windrichtung mal näher und mal weiter entfernt war. Den Rest der Nacht schliefen wir nicht viel, aber am frühen Morgen wurde es etwas ruhiger, und Boris hielt allem gut stand.
Als wir weiter nach Zentral-Anatolien kamen, waren wir auf einem Plateau um die 700m hoch, so dass es nicht mehr so viele Berge zu erklimmen gab. Ankara liegt auch in dieser Gegend, und hier fanden viele historische Momente statt. Hier verwandelte König Midas alles in Gold, und Caesar sprach seine berühmten Worte „Veni, Vidi, Vici“ (ich kam, ich sah, ich siegte).
Auf der Straße nach Polatli hatten wir gerade für eine kurze Pause angehalten, als wir lautes Singen und das Klappern von Hufen hörten. Kurz danach kam ein Mann in traditioneller türkischer Tracht mit einem Pferdewagen um die Ecke. Vom Dach des Wagens hingen alle möglichen nützlichen Sachen, von Fliegenklatschen bis zu Töpfen und Pfannen. Als er uns sah, hielt er sofort an, sprang von seinem Wagen und brachte uns ein Paket Kekse. Guy versuchte, ihm dafür etwas Geld zu geben, aber der Mann antwortete mit einer immer lauter werdenden Predigt, die mit endlosem Enthusiasmus und einem wirklich religiösen Blick gegeben wurde (ein Auge war permanent auf den Himmel fixiert). Wir verstanden nur „Mohammed“ und „Allah“. Am Ende küsste der Mann Guy immer wieder auf die Wangen und umarmte ihn, bevor er wieder auf sein Pferd stieg und laut singend weiterfuhr.
Am nächsten Tag fuhren wir lange Zeit durch einen ausgetrockneten Salzsee. Wir hatten uns das etwas romantischer vorgestellt, ein weißer See mit Salzbergen so wie in Bolivien. Daher freuten wir uns sehr darauf, den großen Tuz Gölu Salzsee zu überqueren. Leider fanden wir aber nur 100km Steppe vor, mit deprimierenden staubigen Dörfern und kein bisschen Salz (was ärgerlich war, da wir unseren Salzkanister auffüllen wollten). Es gab auch keine Möglichkeit irgendwo versteckt zu zelten, und so fragten wir in einer Moschee nach einem Hotel. Leider war das nächste Hotel noch 30km weiter, was bedeutete, dass wir einen 120km Tag hatten.
Um unsere Gehirne zu aktivieren und nicht einzuschlafen spielten wir “ich sehe was was Du nicht siehst”, aber nach “Straße”, “Himmel” und “Busch” war das Spiel vorbei, mangels anderer Objekte. Guy’s Vorschlag, „Mal-sehen-wie-lange-ich-mit-geschlossenen-Augen-fahren-kann“ zu spielen wurde abgelehnt.
Endlich kamen wir in Eskil an, in der Mitte des Salzsees. Wir fragten eine Gruppe von Männern nach einem Hotel. Unsere Fragen lösten eine animierte Diskussion aus, wobei einige Männer meinten, es gäbe in Eskil kein Hotel – das nächste wäre noch 30km weiter. Am Ende schrieb ein Mann einen Hotelnamen auf ein Stück Papier und erklärte uns den Weg. Dankbar machten wir uns auf die Suche. Nach einer Weile fanden wir das Gebäude, das aber eher nach einem Gefängnis als nach einem Hotel aussah. Guy kletterte die miefige Treppe hinauf, durch mehrere leere Korridore, bis plötzlich ein Soldat erschien. Guy zeigte ihm den Zettel und der Soldat eskortierte ihn zu einem Mann, der wohl Zimmer an Soldaten vermietete. Zum Glück gab er uns ein Zimmer für die Nacht, was die anderen Soldaten wohl sehr unterhaltsam fanden.
Am nächsten Tag fuhren wir nach Aksaray und besuchten auf dem Weg die Karawanserei in Sultanhani. Wir genossen die generelle Aufregung, da es der letzte Tag des Ramadan war und alle sich auf das Seker Bayrami Fest vorbereiteten. Wir haben uns schon länger auf das Ende von Ramadan gefreut, da wir dann nicht mehr mitten in der Nacht aufgeweckt werden, und wir endlich vor anderen Leuten essen können ohne uns zu schuldig zu fühlen.
Das 3 Tage lange Fest bedeutete, dass viele Leute auf den Straßen unterwegs waren. Innerhalb eines Tages waren die rücksichtsvollen Leute von den Straßen verschwunden und durch verrückte Raser ersetzt worden. Autos überholten uns auf der falschen Seite, Leute brüllten uns an und warfen mit Süßigkeiten nach uns (es ist ein Süßigkeiten-Fest, normalerweise wäre das kein Problem, aber dies waren harte Süßigkeiten, und es tat weh!).
Der Grund war wohl die Aufregung über das Ende des Ramadan, mehrere Feiertage und die Tatsache, das Aksaray eine Studentenstadt ist, weshalb viele Gruppen von jungen Männern auf den Straßen unterwegs waren. Zum Glück war es nicht weit bis ins Ilhara-Tal, wo wir einen Tag freinahmen. Es war gutes Timing, da wir dann nicht während des Festes auf den Straßen waren.
Auf dem Weg ins Ilhara-Tal hielten wir bei einer Tankstelle an. Innerhalb von Sekunden lud uns der Tankwart auf einen Tee ein. Während er den Tee kochte, machten wir es uns auf seinem Sofa gemütlich. Nachdem wir unser türkisches Vokabular aufgebraucht hatten, seine leckeren Sesam-Süßigkeiten probiert und die Teekanne leergetrunken hatten machten wir uns wieder auf den Weg.
Radtouren ist anders als andere Reisen, die wir bisher gemacht haben. Der Fokus liegt mehr auf dem eigentlichen Reisen, nicht auf dem Ziel. Das Resultat ist, dass wir die meiste Zeit mit Leuten verbringen, die ihren Lebensunterhalt von der Straße verdienen. Also Bauarbeiter, Lastwagenfahrer und Tankwarte, die sich inzwischen fast wie Familie anfühlen, vor allem weit von den Städten entfernt. Einmal hielt sogar ein großer Laster extra vor uns an, damit uns der Fahrer eine Birne schenken konnte.
Wir verbrachten dann zwei Nächte im Ilhara-Tal, das berühmt für die byzantinischen Mönche ist, die um das 9. Jahrhundert mehrere Kirchen in die Felsen über dem Tal einmeißelten, einige mit Fresken und recht eleganten Fassaden.
Es gab ein paar kleine, informelle Campingplätze bei den Restaurants im Tal, und wir richteten uns dort ein. Wir waren die einzigen Camper. Abends machten wir ein offenes Feuer (zum ersten Mal auf unserer Reise!), schauten die Sterne an und hörten wirklich tolle live Musik von einer Feier oben im Dorf, wobei die Klänge durch den Canyon widerhallten.
Danach fuhren wir nach Kappadokien weiter, wo wir ca eine Woche verbringen werden, um die vulkanischen Gesteinsformationen und unterirdischen Städte anzusehen. Einen Tag nachdem wir auf dem Campingplatz in Göreme ankamen, kamen auch Justin und Emma von Rolling Tales. Wir hatten sie vor unserer Reise kurz in London getroffen, und sie sind auf einem anderen Weg mit dem Fahrrad hierhergefahren. Es ist schön, Geschichten zu teilen und Kappadokien gemeinsam zu erkunden.
Hallo nach Kappadokien,
Eveline und Rolf waren da mal als Pauschaltouristen. Anhand der Fotos weiß ich aber, wie schön es dort ist.
Wieder habe ich mich sehr auf Euren neuen Bericht gefreut und auch ebenso darüber, daß Ihr mal wieder bekannte Gesichter zu sehen bekommen habt.
Bin gespannt, ob Ihr gemeinsam weiter fahrt, wie mit Eurer neuseeländischen Freundin.
Grüße aus Köln und alles Gute.
Helmut