Von Perserteppichen zu Autobahnbrücken
Zanjan – Saveh
35 km östlich von Zanjan liegt der kleine Ort Soltaniyeh, der die Hauptstadt der Mongolen war, nachdem diese Persien unter der Führung von Genghis Khan erobert hatten. Die Stadt wurde 1384 größtenteils zerstört, aber einige Bauten überlebten. Wir besuchten das Oljeitu Mausoleum, das von einem mongolischen Sultan erbaut wurde und ein Unesco Weltkulturerbe ist. Es hat eine sehr schöne blaue Kuppel, die mit 48m die höchste Ziegelstein-Kuppel der Welt ist. Das Gebäude war von Außen am beeindruckendsten, da innen alles voller Gerüste ist, aber in Anbetracht des Eintrittspreises von nur $0.30 beschwerten wir uns nicht!
Am Abend fragten wir, ob wir hinter einem Restaurant zelten könnten und wurden dann von der Familie eingeladen, in ihrer Wohnung über dem Restaurant zu übernachten. Hier könnt Ihr mehr über unsere erste Übernachtung bei einer iranischen Familie lesen.
Wir freuten uns schon auf den folgenden Morgen, denn bisher hatte uns das meiste Radfahren wegen des Verkehrs keinen Spaß gemacht, und jetzt würden wir endlich von der Hauptstraße abbiegen. Wir konnten schon den Smog von Teheran sehen, das nur 200km entfernt war, und waren froh endlich in Richtung Süden und weg von dieser Metropole zu fahren. Leider gab es einen große Enttäuschung. Die kleinere Straße, auf der wir jetzt fuhren, war viel schlimmer als die Hauptstraße. Es gab noch mehr Lastwagen als auf der Hauptstraße, und nur eine Spur für den Verkehr in jede Richtung. Es gab auch keinen Seitenstreifen, und die Straße war gerade weit genug so dass zwei Lastwagen aneinander vorbeikommen konnten. Auf dieser Straße radzufahren war selbstmörderisch. Wir hofften, dass es bald besser werden würde, aber am Ende fuhren wir für 75km entweder auf Schotter neben der Straße, oder auf einem parallelen Feldweg. Eigentlich wollten wir es bis zum nächsten größeren Ort schaffen, der 100km weit entfernt war, aber am späten Nachmittag war klar, dass wir das nicht schaffen würden, da wir so viel langsamer als geplant gefahren waren.
Kurz vor Sonnenuntergang fanden wir uns in einem Dorf namens Ebrahimabad wieder. Es gab kein Hotel, aber ein Restaurantbesitzer bot uns an, auf einem kleinen Stück Gras neben seinem Restaurant zu zelten. Leider war das kleine Grasstück umgeben von zwei Hauptstraßen und einem Parkplatz. Es war als ob man in der Mitte eines Kreisverkehrs zelten würde. Iraner campen überall und verstehen nicht, warum wir lieber einen ruhigeren Platz finden wollen. Sie bestehen darauf, dass es überall sicher ist, zu zelten, was vielleicht auch stimmt, aber wir ziehen so viel mehr Aufmerksamkeit auf uns als die Einheimischen. Da es dunkel wurde hatten wir allerdings nicht viel Wahl, aber wir fanden ein etwas besseres Stück Gras neben der mehrspurigen Hauptstraße. Nebenan stand ein Polizei-Wohnwagen, und der Polizist war sehr nett, also fühlten wir uns dort recht sicher, obwohl es ein sehr öffentlicher Platz war. Kayvan, der Polizist, kaufte uns Bier (ohne Alkohol natürlich), und wie erwartet wurden wir kurz darauf von ungefähr 10 neugierigen jungen Männern auf Motorrädern umringt.
Sie waren recht freundlich, und einer der Männer lud uns in sein Haus ein. Er hatte ein nettes Lächeln, freundliche Augen und war ein gelassener Typ, und der Gedanke, in einem Haus zu schlafen anstatt neben der Hauptstraße war ziemlich einladend. Wenn wir uns unwohl fühlten konnten wir ja immer noch zurückkommen… Ahmad führte uns zum Haus seiner Familie, welches aus einem Innenhof bestand, der von mehreren Wohnungen für die Familienmitglieder umgeben war (dies scheint recht typisch in Iran zu sein).
Wir wurden in die Wohnung von Ahmad und seiner Frau eingeladen. Sie waren seit 10 Monaten verheiratet und waren beide recht jung, Ahmad war 24 und seine Frau erst 18. Bald kamen seine beiden Brüder und seine Mutter zu Besuch und wir tranken Tee. Einer der Brüder sprach etwas Englisch, und mithilfe unseres Sprachführers konnten wir kommunizieren. Wir fanden heraus, das Ahmad und einer seiner Brüder Schuhmacher waren. Sie entwarfen Frauenschuhe und stellten sie in einem Raum unten im Haus her. Im Laufe des Abends wurde Frederike gebeten, verschiedene Schuhe anzuprobieren, und über ihre Größe und ihr Lieblings-Design ausgefragt. Da war es natürlich unvermeidbar, dass sie am Ende ein schönes Paar handgefertigte Schuhe geschenkt bekam, und es war umöglich, das Geschenk abzulehnen.
Nach dem Abendessen versuchten wir ihnen einen Beutel mit Nüssen zu schenken, aber das veranlasste sie, noch mehr Essen aufzutischen; Obst und unseren gefürchteten Feind: die ungeschälten Sonnenblumenkerne. Diese sind hier sehr beliebt, und alle scheinen sie ganz einfach mit den Schneidezähnen zu knacken und gleichzeitig den Kern herauszuziehen. Das ist für uns ziemlich schwierig und wir haben dann immer die ganze Schale im Mund, so dass wir sie lieber per Hand knacken, was sehr langsam ist. Die ganze Familie lachte uns aus und machte Witze über uns, bis sie am Ende beschlossen uns zu helfen und die Kerne für uns schälten. Sie fanden es sehr lustig, dass wir zu Hause die geschälten Kerne kaufen, und finden uns sehr faul.
Uns wurde auch ein Video von Ahmad’s Hochzeit gezeigt. Wir sahen ungefähr 90 Minuten, von verschiedenen Teilen des Tages. Es war sehr seltsam, da die Braut überhaupt nicht auftauchte. Es war eine Feier nur für Männer, die gemeinsam tanzten und aßen. Später fanden wir heraus, dass die Frauen eine separate Feier haben, wo sie entspannter feiern können, da sie keine Kopftücher tragen müssen.
Als es Schlafenszeit war, wurden wir in Ahmad’s Zimmer untergebracht, während er und seine Frau in einen anderen Teil des Hauses umzogen. Wie in der vorigen Nacht schliefen wir wieder gut auf einem Perserteppich. Am nächsten Morgen machten sie uns Frühstück – warme Milch, Tee, Brot, Omelette, Marmelade und Käse – und waren schockiert als wir ankündigten, dass wir weiterfahren müssten. Sie versuchten alle möglichen Tricks, so dass wir länger blieben. Wir erklärten dass unser Visum bald ablief, und sie schlugen vor, dass wir einfach einen Bus nehmen könnten statt mit dem Fahrrad zu fahren, so dass wir länger bleiben könnten.
Letztendlich schafften wir es aber, wieder loszufahren und fuhren am Polizeiwohnwagen vorbei, um uns von Kayvan zu verabschieden. Er lud uns auf einen Tee ein und wir unterhielten uns im Wohnwagen, da Kayvan sehr gut Englísch sprach. Er studierte für seinen Master im Ingenieurswesen und leistete gleichzeitig seinen Militärdienst bei der Polizei. Während wir da waren, kam ein anderer Polizeiwagen vorbei und zwei Polizisten kamen in den Wohnwagen. Sie waren beide sehr freundlich und lustig, und einer fragte Frederike: “Miss Frederike, ich möchte Sie etwas fragen. Wie finden Sie es, das Kopftuch zu tragen?” Frederike antwortete, dass es okay war, aber nicht so bequem wenn das Wetter sehr warm war. Der andere Polizist lachte schelmisch und versrpach, dass sie direkt in den Himmel gehen würden, wenn sie es weiterhin trug.
Gerade als wir uns von Kayvan verabschiedeten, kam der Polizei-Chef vorbei. Er entschied sofort, dass es für uns zu gefährlich wäre, auf diesen Straßen zu fahren, und hielt einen Lieferwagen an, der uns 25km mitnehmen sollte, bis die Straße wieder breiter wurde. Es gab keine Diskussion, und er hörte unserer Erklärung nicht zu, dass wir nämlich neben der Straße fuhren und nicht auf ihr. Leider war der Lieferwagen etwas kurz, so dass wir die Klappe nicht schließen konnten und unsere Fahrräder drohten, herunterzurollen. Der Polizei-Chef befohl uns, uns hinten auf die Ladefläche zu setzen, und los ging es. Die Fahrt war etwas beängstigend, da der Fahrer trotzdem andere Fahrzeuge überholte und recht schnell fuhr. Die Fahrräder waren aber sicher, und kurz darauf kamen wir im Ort Bu’in Zarah an. Dies war das erste Mal auf unserer Reise, dass wir ein Stück nicht mit dem Fahrrad gefahren sind, aber wir hatten keine Wahl und waren insgeheim auch froh, da wir uns nicht darauf gefreut hatte, wieder auf Schotter zu fahren.
Inzwischen war es schon Mittagszeit, und wir schafften nur die Hälfte der Strecke zum nächsten Ort, Saveh, bevor es dunkel wurde. Die Straße war viel besser, mit einem breiten Seitenstreifen. Der Verkehr war 90% Lastwagen, und es scheint die Hauptstraße zwischen dem Nordwesten Irans und dem Süden zu sein, obwohl es als Nebenstraße auf unserer Karte eingezeichnet ist.
Bei Sonnenuntergang waren wir in der Mitte einer Wüste, die total flach war. Das bedeutete, dass wir unser Zelt nirgends verstecken konnten. Wir könnten entweder so zelten, dass uns alle sehen (und evtl. besuchen) konnten, oder wir könnten warten bis es dunkel war und dann einfach in die Wüste hinaus gehen und dort zelten. Es gab allerdings noch eine dritte Möglichkeit. Unter der Straße gab es einige kleine Unterführungen. Wir gingen in eine der Unterführungen um zu kochen, und dann später einen Zeltplatz zu suchen, wenn es dunkel war. Allerdings fanden wir es dort ziemlich bequem und schafften es, das Zelt in der Unterführung aufzustellen.
Es passte gerade eben. Wir machten uns also einen Tee und holten unsere Bücher heraus, um zu lesen. Der Lärm von der Straße war nicht allzu schlimm, wenn man bedenkt wie nah die Laster über uns waren. Es gab die ganze Nacht lang Verkehr, aber wir schliefen ziemlich gut. Es gab sogar einen Haken für unsere Waschbeutel, so dass wir es uns richtig gemütlich einrichten konnten! Es war allerdings ein ziemlicher sozialer Abstieg jetzt unter einer Brücke zu schlafen, wo wir vorher so luxuriös auf Perserteppichen genächtigt hatten.