Übernachtung bei einer iranischen Familie
Wir hatten eigentlich vor, an unserem ersten Tag nachdem wir Zanjan verlassen hatten, in einem Hotel zu übernachten. Allerdings war die schöne Obstplantagengegend, in der wir nachmittags waren, gut zum Zelten geeignet, und wir entschieden, zu campen. Bei einem kleinen Restaurant fragten wir nach Wasser, und die Männer dort luden uns gleich auf einen Tee ein. Hinter dem Restaurant gab es einen großen Garten, und wir fragten, ob wir dort zelten könnten. Kein Problem, sagten sie, aber trinkt bitte erstmal Euren Tee. Als nächstes brachten sie uns geröstete Maiskolben, und gerade als wir überlegten, unser Zelt aufzustellen, bat uns einer der Männer, ihm zu folgen. Wir gingen eine Treppe hoch und in eine Wohnung über dem Restaurant.
Hossein zeigte und die Wohnung und zeigte auf ein Zimmer, das mit Perserteppichen ausgelegt war. Er bot uns an, dort zu schlafen. Wir lehnten ab, aber er machte klar, dass das Angebot nicht nur Ta’arof war und er wirklich wollte, dass wir in der Wohnung schliefen. Er musste zurück zum Restaurant, also half er uns, unsere Satteltaschen hochzutragen und verließ dann die Wohnung. Wir duschten und entspannten uns für ein Weilchen, beeindruckt von dem Vertrauen, das die Leute hier Wildfremden entgegenbringen. Er hatte uns schließlich erst vor einer halben Stunde getroffen, und ließ uns trotzem alleine in seiner Wohnung!
Wir waren seit 11 Tagen in Iran, und begannen, uns hier wohl zu fühlen. Es fühlt sich sehr sicher an. Kinder laufen nachts auf der Straße herum, Diebstahl scheint nicht zu existieren, und die Leute vertrauen sich gegenseitig. Zelten an öffentlichen Orten (Stadtpark, neben der Autobahn, Tankstellen) ist normal, und das machen im Sommer viele Leute. Unser Leben in London hatte uns Mißtrauen gelehrt, und es dauerte eine Weile, bis wir uns entspannen konnten und wirklich fremden Leuten vertrauen konnten. Es fühlt sich gut an, unsere Fahrräder einfach vor einem Restaurant zu lassen, oder an einem öffentlichen Ort zu zelten und uns keine großen Sorgen um Diebstahl zu machen. Vielleicht ist das ein positiver Effekt der starken Werte, die die Leute hier durch ihren Glauben erhalten.
Nach einer Weile kam Hossein mit seiner Frau, Sohra, und seinem achtjährigen Sohn, Alireza, zurück. Er musste wieder gehen, und so machten wir es uns im Wohnzimmer gemütlich. In der Wohnung gab es nicht einen einzigen Stuhl oder Tisch. Sie was komplett mit Teppichen ausgelegt, und an den Wänden entlang lagen Kissen. Es gab auch keine Betten, nur ein paar Schränke. Ein ziemlicher Kontrast zu unserer kleinen Wohnung in London wo man keinen Meter gehen konnte, ohne ein Möbelstück umgehen zu müssen. Der Boden wird zum Sitzen, Essen und Schlafen benutzt, daher ist es verständlich, warum die Teppiche so eine wichtige Stellung in Iran haben. Was unsere Eltern wohl denken würden, wenn wir zu Hause auf dem guten Perserteppich essen würden!
Sohra servierte uns Tee, Weintrauben, Gurken und Kuchen, und wir konnten durch unser Farsi-Sprachführer kommunizieren. Sohra war recht modern gekleidet und hatte blond gefärbte Haare. Sie war sehr gut darin, Wörter und Sätze im Sprachführer zu finden. Alireza lernte in der Schule Englisch. Er brachte seine Bücher und wir erfanden ein Spiel um ihm zu helfen, die Buchstaben des römischen Alphabets zu lernen (das ist natürlich ganz anders als das arabische Alphabet, das er schon gelernt hat). Wir zeigten ihnen auch Fotos von unseren Familien, was sie schätzten.
Wir wussten nicht genau, wie wir das Abendessen angehen sollten, da wir nicht einfach erwarten wollten, dass sie für uns kochen würden. Allerdings wollten wir auch nicht unhöflich erscheinen indem wir unseren Kocher herausholten. Zum Glück löste Hossein das Problem indem er Essen vom Restaurant liefern ließ. Eine Plastik-Tischdecke wurde auf dem Boden ausgebreitet, und es wurde Reis mit Butter, Lavash Brot, Kebab, Salat, Paprika und Oliven serviert, und dazu ein Yoghurtgetränk.
Nach dem Essen ging Alireza schlafen. Sohra öffnete unseren Sprachführer und zeigte auf die Worte “gehen wir” und “Stadtzentrum”. Wir quetschten uns alle in Hossein’s winzigen 70ger Jahre Renault, der nur einen Scheinwerfer hatte. Es fühlte sich an wie eine Zeitreise zurück in unsere Kindheit. Solche Autos gibt es zu Hause gar nicht mehr.
Hossein und Sohra zeigten uns die Stadt, wobei wir am Park, einem Denkmal und einer Moschee anhielten. An einem Marktstand kauften wir ein Puzzle für Alireza, und dann hielten wir bei der Eisdiele an. Diese war ein beliebter Treffplatz für junge Männer – genau wie eine Kneipe zu Hause. Hossein bestand darauf, uns Bananenmilch und Zitronenkuchen zu kaufen, was sehr lecker war.
Zurück zu Hause breitete Sohra weiche Decken und Kissen für uns auf dem Boden aus. Sie und Hossein schliefen im Wohnzimmer. Dankbar krochen wir ins Bett – wir konnten kaum glauben, wie gut sie uns behandelten.
Am nächsten Morgen machte Sohra Frühstück – Lavash Fladenbrot, Marmelade, Butter und Käse. Hossein ludt uns ein, noch einen Tag zu bleiben, aber leider ist unsere Zeit in Iran begrenzt und wir mussten weiterfahren. Sohra ging hinaus auf den Balkon, wo sie einen großen Haufen Weintrauben getrocknet hatte, um Rosinen zu machen, und gab uns eine große Tüte Rosinen zum Mitnehmen.
Draußen machten wir noch ein paar Fotos bevor wir und verabschiedeten. Es ist immer schwer, sich von den netten Leute zu verabschieden, die wir treffen, da wir die meisten wohl nicht wiedersehen werden. Die Leute in Iran sind besonders emotional wenn wir gehen, was sehr lieb ist. Dies war das erste Mal, dass wir in Iran bei einer Familie übernachteten, und wir haben in jedem Fall die Gastfreundschaft erlebt, für die Iran berühmt ist. Beeindruckenderweise wurden wir am nächsten Tag schon wieder von einer Familie eingeladen, bei ihnen zu übernachten.