Esfahan: Die Hälfte der Welt
In Esfahan fanden wir ein Hotel in der Nähe der Si-O-Seh Brücke. Wir packten schnell unsere Sachen aus, duschten und gingen auf die Suche nach einem Restaurant, das unseren riesigen Hunger stillen konnte, da wir in den letzten Tagen nur noch wenige Essensvorräte übrig gehabt hatten. Esfahan, ein Unesco Weltkulturerbe, kann zwar von den Sehenswürdigkeiten her mit Rom oder Athen mithalten, aber wenn es um’s Essen geht, sieht das leider anders aus. Wie immer aßen wir Hühnchen und Reis, waren aber davon begeistert, dazu sogar einen Salat zu bekommen.
Benommen von den ganzen Vitaminen, die plötzlich in unserem Blutstrom herumschwirrten, gingen wir ein wenig spazieren und genossen die Athmosphäre. Die meisten anderen Touristen waren aus anderen Teilen von Iran und aus dem Mittleren Osten.
Uns wurde schnell klar, dass die Einheimischen Touristen sofort identifizieren konnten, denn wir konnten nicht mal 5 Meter ohne ein “hallo” oder “woher kommt Ihr” gehen. Anscheinend fanden die Leute uns auch ziemlich lustig (Frederike meint dass es vielleicht etwas mit Guy’s orangem Bart zu tun hat), denn immer wieder sagten Gruppen von jungen Leuten im letzten Augenblick “hallo” bevor sie aufgeregt kicherten und dann wegliefen. In den folgenden Tagen fanden wir heraus, dass das Interesse der Einheimischen in manchen Fällen etwas tiefere Gründe hatte.
Am nächsten Tag gingen wir zum Fluss, um die großartigen Brücken zu entdecken, für die Esfahan berühmt ist. Bald fanden wir heraus, dass einige der schönsten Brücken etwas weiter weg waren, und so spazierten wir durch einen schönen Park am Fluss entlang.
Auf dem Weg kam ein lächelnder alter Mann mit seinem Spazierstock auf uns zu. Bald bat er uns, ein Foto zu machen, was wir gerne taten. Aber als Guy sich etwas entfernte, um ein Foto von Frederike mit dem Mann zu machen, legte dieser seinen Arm etwas zu eng um sie. Okay, die Leute hier sind superfreundlich, aber dann fiel plötzlich der Groschen: seine Hand wanderte! Frederike war schockiert und stieß ihn mit dem Ellbogen weg. Anscheinend war das Foto nur eine Ausrede um ein bisschen zu schmusen! Jetzt wurde uns klar, dass Iran nicht ganz so lieb und unschuldig war wie wir gedacht hatten, vielleicht ist es auch der Einfluss vom Tourismus auf diese Stadt. Später erzählten uns einige Teheraner dass Esfahan für solche Tricks bekannt ist, und wir erlebten noch mehrere solch “über-freundiche” Begegnungen.
Zum Glück trafen wir auch einige Leute, die ohne solche Hintergedanken freundlich zu uns waren. Ein Arzt auf einem “Cannon Dell” Mountainbike befragte uns über unsere Eindrücke in Esfahan, ein afghanischer Kunststudent wollte mit uns Englisch üben, und einige energische Naturwissenschafts-Studentinnen fragten uns über alles Mögliche aus, z.B. ob alle Leute im Westen denken, dass Iraner Terroristen sind. Es machte uns Spaß, so zwanglos mit den Leuten zu reden. Dabei haben die meisten Frauen, die wir treffen, anscheinend einen Timer in ihrem Kopf, denn nach ungefähr 5 Minuten werden sie zappelig und verabschieden sich dann schnell – vielleicht wäre es nicht schicklich für sie, so lange mit uns gesehen zu werden.
Auf dem Weg zurück sahen wir Amin, der in unserem Hotel arbeitete. Da er in Esfahan wohnte, fragten wir ihn ob er wusste, wo wir unsere Wäsche waschen lassen konnten.
“Klar, kommt mit”, sagte Amin.
Also folgten wir ihm in eine Seitenstraße, wo wir 15 Minuten später an einer kleinen Wäscherei ankamen. Dankbar gaben wir unsere Beutel mit dreckiger Wäsche ab und gingen dann mit Amin zurück zum Hotel. Später holte Guy die Wäsche ab, und eine kleine Überraschung erwartete ihn. Die Rechnung war über 280.000 Rial – $28! Was für ein Schock, das war ja fast unser ganzes Budget für einen Tag! Wir hatten vorher nicht nach dem Preis gefragt, da wir dachten dass es okay sein würde, vor allem da wir mit Amin da waren. Guy war entrüstet und gab das Geld nur zögerlich her – ein Schein nach dem nächsten, wobei er hoffte, dass sie Gnade walten lassen würden. Leider wollten sie aber wirklich den ganzen Betrag haben.
In unserem Zimmer versuchten wir dann zu verstehen, wieso es bloß so teuer war. Als wir unsere sauberen Klamotten auf dem Bett ausbreiteten, wurde die Antwort klar: sie waren chemisch gereinigt worden. Und zwar alles: Unterwäsche, Socken, Fahrradhandschuhe, alle unsere alten Klamotten waren liebevoll einzeln gereinigt worden. Alles machte plötzlich Sinn – der verwirrte Blick des Wäscherei-Besitzers als wir ihm unsere dreckige Wäsche gaben, und warum er nichts mit unserem Waschpulver anfangen konnte. Guy war es jetzt wirklich peinlich, sich so über den Preis aufgeregt zu haben, nachdem sie gerade seine Unterwäsche per Hand gereinigt hatten.
Um diesen Luxus wieder gutzumachen, zogen wir vom zweitbilligsten Hotel in das billigste in Esfahan um.
Nach unserem Umzug zogen wir unsere per Hand gereinigten Socken an und fühlten uns super, daher nahmen wir dann die Hauptsehenswürdigkeiten in Esfahan in Angriff. Es gibt nicht viele wirklich atemberaubende Orte in der Welt, aber der Imam-Platz ist unvergesslich. Er ist über einen halben Kilometer lang und ist der zweitgrößte Stadtplatz der Welt, nach dem Tiananmen-Platz in Peking. Vor 400 Jahren wurde er regelmäßig für Polo-Spiele genutzt, und die Torpfosten stehen noch. Die beiden Moscheen mit ihren perfekten Kuppeln dominieren den Platz und sind so schön anzusehen, dass man sich fast gar nicht abwenden kann. Durch ein raffiniertes System sind die Eingänge der Moscheen zwar in einer Linie mit dem Imam-Platz, die Moscheen selber sind allerdings auf Mecca ausgerichtet.
Nachdem wir ganze $0.30 herausgerückt hatten, um die Moschee zu besuchen, gaben die Wärter Frederike einen Chador, denn alle Frauen müssen von Kopf bis Fuß eingehüllt sein bevor sie diese heilige Stätte besuchen dürfen. Da es das erste Mal war, dass sie so ein Gewand anziehen musste, hatte sie damit etwas Schwierigkeiten und sah am Ende aus wie ein Kartoffelsack mit Augen, sehr zu Guy’s Vergnügen.
Es ist unmöglich, die Imam-Moschee in Fotos einzufangen; sie ist als eine der schönsten Moscheen der Welt bekannt. Aus einiger Entfernung ist die Größe und architektonische Symmetrie hypnotisierend. Aus der Nähe beeindrucken die reichen Details der blauen Mosaiken mit ihren Blumen und geometrischen Formen, eingerahmt von fließender persischer Kalligraphie.
Als wir unter dem 30m hohen Dom standen, der passenderweise der “Blumenkorb” genannt wird, konnten wir kaum begreifen, wie groß der Dom war und wie er gestützt wurde. Anscheinend ist irgendwo im Design eine Diskrepanz, um Demut des Architekten gegenüber Allah zu zeigen. Wir haben sie allerdings nicht gefunden. Wenn man in der Mitte steht und mit den Füßen stampft, hallt der Klang durch die Moschee wider. Es gibt bis zu 46 Echos, aber nur 7 können vom menschlichen Ohr gehört werden.
Nachdem wir aus dem Dom herauskamen, bemerkten wir eine ziemlich große Gruppe von Schülerinnen, die auf uns zu kam. Wir wussten schon von vorher, dass so etwas recht anstrengend sein kann, vor allem da Guy irgendwie eine Faszination auf sie ausübt, wahrscheinlich wegen des Barts. Auf jeden Fall flankierten sie uns von zwei Seiten. Wir suchten einen Ausgang, fanden aber keinen: wir waren gefangen. Sofort wurden wir umringt, es wurden Fotos mit Handys gemacht, Fragen über Fragen kamen von allen Seiten, und die Aufregung war so groß, dass wir in dem Lärm gar nichts mehr verstehen konnten. Es war wirklich seltsam, und wir fühlten uns als ob wir Mitglieder einer Pop-Band wären. Bald kam allerdings eine Lehrerin, die eine Nasenbandage von einer Schönheitsoperation trug, auf uns zu und tadelte uns, weil wir angeblich die Zeit der Schülerinnen verschwendeten! Sie hatten heute noch viel vor und wollten noch so einige andere Sehenswürdigkeiten besichtigen. Liebe Lehrerin, wir entschuldigen uns vielmals für die Unannehmlichkeiten!
Müde von der Begegnung mit unserem Fanclub wollten wir uns erstmal in dem berühmten Teehaus ausruhen, von dem aus man einen schönen Ausblick über den Imam-Platz haben sollte. Leider war es aber inzwischen nicht mehr in Betrieb, was ein Trend in Esfahan zu sein scheint, da es viele dieser Teehäuser jetzt nicht mehr gibt.
Wir spazierten über den Platz und steckten unsere Nasen in die kleinen Läden unter den Arkaden. In der Nähe der Moschee gab es den üblichen Kitsch, aber etwas weiter entfernt fanden wir einige richtig authentische Lädchen. Es gab dort erlesene Handarbeiten zu kaufen, von sorgfältig gravierten Silbertellern bis zu fein bemalten Porzellanvasen. Am frühen Abend werden die kleinen Werkstätten über den Läden lebendig und die Handwerker arbeiten an den Stücken, die sie tagsüber verkaufen. Überall hört man das Hämmern der Silber- und Kupferschmiede. In einem Laden sahen wir sehr schöne handbemalte Vasen und Schalen, und hinten im Laden saßen mehrere Frauen, die haargenau abstrakte Muster auf die Stücke malten. Es war erfrischend, den Künstlern und Handwerkern direkt zuzusehen, ein Zeugnis dafür dass die Produkte wirklich authentisch waren.
Als wir unseren Weg aus dem Basar suchten, kamen wir an einem kleinen Laden vorbei, der handbemalte Stoffe verkaufte. Der Besitzer lud uns ein, es uns genauer anzusehen. Im Laden saß sein Vater im Schneidersitz an einem kleinen Tisch und arbeitete an einem Muster, dass traditionelle persische Szenen zeigte. Der Vater schien legendär zu sein, denn er arbeitete dort schon seit 65 Jahren und war wohl recht bekannt. Ein Fernseh-Team aus Teheran war gerade da, um ihn zu filmen. Peinlicherweise baten sie dann ein paar Mädchen aus Teheran, die auch nur zu Besuch waren, uns für den Film zu interviewen, was sie ziemlich verlegen machte.
Wir waren inspiriert und wollten gerne ein richtig authentisches Souvenir kaufen, denn bisher hatten wir auf unserer Reise noch gar keine Andenken gekauft. Ein kleiner Laden verkaufte feine Miniaturgemälde, die per Hand auf Kamelknochen gemalt waren – das perfekte Souvenir. Der Besitzer, Hossein, malte schon seit er 13 Jahre alt war, also seit über 50 Jahren! Wir schauten uns die Bilder durch eine Lupe an und konnten uns kaum erklären, wie er solch feine Pinselstriche machte. Hossein benutzt Pinsel aus Katzenhaaren und bevorzugt die Haare von wilden Katzen, da sie nicht so viel gestreichelt werden und ihre Haare daher dünner sind.
In Esfahan gibt es viele beeindruckende Sehenswürdigkeiten, wie die riesige Jameh Moschee, und den harmonischen Chehel Sotun Palast mit seinem lieblichen Garten und gut erhaltenen Fresken, die Shah Abbas’ Leben darstellen. Esfahan verdient wirklich so viel Zeit wie möglich bei einem Besuch.
Isfahan, die schönste Stadt der Welt