Bergab zum Persischen Golf
Shiraz – Bandar Abbas
Südlich von Shiraz veränderte sich die Landschaft, und obwohl es immer noch sehr trocken war, kamen wir oft an kleinen Oasen mit ein paar Palmen und manchmal etwas Wasser vorbei. Die Landwirtschaft war sehr von Bewässerung abhängig, und in der Wüste sahen wir oft Qanats und runde Zisternen, aber auch viele moderne Wasserschläuche und Pumpen. Dattelpalmen gab es überall, und Datteln waren nun ein typisches Geschenk für uns von den Einheimischen.
Gerade rechtzeitig für unsere erste Pause nach Shiraz wurden wir von einigen Männern angehalten, die in einer Eisdiele arbeiteten. Sie gaben uns riesige Portionen Eis und filmten die Begegnung auf ihren Handies. Die Gastfreundschaft ging weiter, als wir an einer Tankstelle anhielten, an der es kein Benzin mehr gab, so dass einer der Tankwarte uns stattdessen Benzin aus seinem Motorrad abfüllte.
Am Nachmittag waren wir in einer landwirtschaftlichen Gegend, fanden aber einen Zeltplatz hinter einem Orangenhain. Um uns herum konnten wir Schäfer hören, aber sie kamen nie näher und wir blieben unentdeckt.
Nach einer schnellen Fahrt durch die Wüste fanden wir am nächsten Mittag eine seltene Raststätte mit ein paar Läden und einem kleinen Park. Hadi, einer der Ladenbesitzer, wollte gerne sein Englisch mit uns üben und erzählte uns, dass er nur Englisch lernte, um mit Touristen reden zu können. Allerdings war es schon 6 Monate her, dass das letzte Mal ein Tourist an der Raststätte war, und so war er sehr froh, uns zu sehen!
Die Straße zwischen Shiraz und Bandar Abbas ist recht abgelegen, mit nur zwei Kleinstädten auf den ganzen 600km. Wir verbrachten eine Nacht in Jahrom, einer interessanten kleinen Stadt. Leider wurden wir aber von einem Honigverkäufer über’s Ohr gehauen, der uns erst dazu verführte, seine Honigwaben zu probieren, uns dann “umsonst” ein paar Süßigkeiten gab, um dann einen viel zu hohen Preis für ein kleines Glas Honig zu berechnen.
Als wir am nächsten Tag aus einem Tunnel kamen, wurden wir fast Zeugen eines Busunfalls. Der Busfahrer war in dem engen Tunnel die ganze Zeit geduldig hinter uns geblieben, überholte dann aber kurz vorm Ende und beachtete dabei nicht den Gegenverkehr… Wir hielten kurz hinter dem Tunnel für eine kurze Pause an, als ein Auto mit vier Männern ankam. Sie stiegen aus, und einer trug einen großen Bilderrahmen mit einem Bild von irgendeiner farbenfrohen Göttin. Wir waren ziemlich verwirrt über ihre Absichten, als sie auf uns zukamen. Sie baten Guy, den Bilderrahmen zu halten, so dass sie ein Foto von ihm mit dem Bild machen konnten. Danach dankten sie uns kurz, nahmen den Bilderrahmen, und fuhren in die entgegengesetzte Richtung davon. Das war eine unserer seltsameren Begegnungen…
Am Nachmittag fanden wir uns in den zwei Situationen wieder, die wir am meisten fürchteten: Nicht genug Wasser zu haben, und keinen Zeltplatz zu finden.
Wir hatten unsere Wasserflaschen am Nachmittag an einem Ort auffüllen wollen, der auf unserer Karte eingezeichnet war, aber es war nur ein staubiges Dorf am Straßenrand, ohne Läden, und leider auch ohne Ortsschild. Als uns endlich klarwurde, dass das Dorf der Ort gewesen war, auf den wir gewartet hatten, waren wir schon 10km weiter und wollten nicht mehr umdrehen. Allerdings gab es nicht mehr viele Häuser, und der nächste Ort war 65km weit weg. Es war schon später Nachmittag, wir fuhren auf eine bergige Gegend zu und mussten einen Zeltplatz finden, aber mit nur einem Liter Wasser was das keine Option. Endlich sahen wir ein Gebäude und fuhren einen Schotterweg hinunter, um nach Wasser zu fragen. Ein schüchternes kleines Mädchen grüßte uns und lief weg, um seine Mutter zu holen. Diese machte uns klar, dass sie im Haus kein Wasser hatten. Sie sahen ziemlich arm aus und führten offensichtlich ein hartes Leben dort in der Wüste. Immer noch ohne Wasser gingen wir zurück zur Straße und wollten gerade weiterfahren, als eine Männerstimme uns zurückrief. Der Vater war gerade mit seinem Motorrad angekommen und trug einen großen Kanister voll Wasser, das er aus einer unterirdischen Quelle geschöpft hatte. Er gab uns ein paar Liter Wasser und lehnte das Geld ab, das wir ihm für seine Unannehmlichkeiten anboten, denn jetzt musste er wahrscheinlich nochmal los, um mehr Wasser zu holen. Das Wasser schmeckte sehr “erdig”, so dass wir froh über unseren Wasserfilter waren.
Nun war es Zeit, einen Platz zum Zelten zu finden. Der hügelige Abschnitt hatte keine zugänglichen Plätze, und kurz darauf kamen wir in eine landwirtschaftliche Gegend. Überall fuhren Bauern auf ihren Motorrädern herum und kamen oft mehrmals an uns vorbei, um uns genauer zu begutachten. Jedes bisschen Land wurde von ihnen genutzt, und bei Sonnenuntergang hatten wir immer noch keinen Platz zum Zelten gefunden. Allerdings wird so etwas einfacher, sobald es dunkel ist, und wir fanden schließlich einen sandigen Bereich, der nicht wirklich benutzt wurde und durch den nur ein paar Bewässerungsleitungen führten. Wir stellten das Zelt auf, schliefen aber nicht so gut, da wir wussten, dass es mehrere Motorradwege in der Nähe gab. Wir hätten zwar auch jemanden um Erlaubnis fragen können, zu zelten, aber seit unseren Erfahrungen mit Suleyman dem Schrecklichen ist uns nicht so wohl dabei, bei Anbruch der Dunkelheit bei irgendeinem Haus nachzufragen, ohne die Möglichkeit, die Besitzer vorher etwas zu begutachten. Uns ist es lieber, an einem Restaurant oder einem anderen öffentlicheren Ort nachzufragen, wo wir die Besitzer erstmal ein bisschen kennenlernen können, bevor wir bei ihnen übernachten.
Morgens standen wir sehr früh auf und waren bei Sonnenuntergang schon unterwegs. Allerdings kamen wir nicht sehr weit. Nachdem wir unsere Wasserflaschen an einer Bewässerungsleitung aufgefüllt hatten, fuhren wir nur 5 Minuten weiter und fanden einen netten Platz unter einem Baum, um zu frühstücken. Wir fühlten uns wie die Könige, als wir da so auf dem staubigen Boden saßen und unser leckeres Frühstück zubereiteten: Rührei mit Knoblauch, Zwiebeln und Tomaten, Brot, Müsli und Milchkaffee. Dabei sahen wir den Sonnenaufgang und redeten eine Weile, kochten dann noch Tee, und plötzlich waren zwei Stunden vergangen. Auf der Straße sahen wir unser erstes Schild zum Persischen Golf, was unserer Motivation half.
Die Temperatur wurde immer wärmer, als wir jeden Tag an Höhe verloren. In Shiraz, auf über 1500m Höhe, war es im Schatten und nachts ziemlich kalt gewesen, aber hier waren die Temperaturen perfekt zum Zelten. Heute fuhren wir durch eine trockene Mondlandschaft, und die Leute sahen hier dunkler und dünner aus. Wir waren vor Banditen gewarnt worden, und eigentlich sah so ziemlich jeder, dem wir begegneten, wie ein Bandit aus. Sogar Familien auf Motorrädern, da sie alle ihre Gesichter komplett mit einem arabischen karierten Tuch verhüllen. Nur die Augen blinzeln durch einen kleinen Schlitz (Sonnenbrillen scheinen hier nicht zu existieren). Trotzdem winkten uns alle fröhlich zu und riefen uns Grüße zu. Die Banditen wären wahrscheinlich sowieso mehr an den Einheimischen interessiert, denn die meisten Autos, die von den zollfreien Orten an der Küste kamen, waren voll mit neuen Elektronik-Gegenständen beladen (und in manchen Fällen Alkohol, wie uns ein Mann stolz erzählte).
Die zweite größere Stadt, durch die wir kamen, war Lar – eine Kleinstadt mit arabischen Ambiente. Felsenkliffe überragten den Ort, und wir konnten uns richtig vorstellen, wie es früher einmal gewesen sein musste. Es gab ein rundes Eishaus, einige schöne Moscheen, und der Verkehr war recht ruhig.
Wie immer hatten wir Probleme, gutes Brot zu finden, aber heute hatten wir Glück: Wir fanden eine kleine Bäckerei in der Nähe unseres Hotels. In Iran können wir meistens frisches Brot nur abends zwischen ca 17 und 18 Uhr kaufen. Zu jeder anderen Zeit sind die Bäckereien entweder geschlossen, das Brot ist noch nicht fertig, oder es ist bereits ausverkauft. Wir stellten uns an der Brotschlange an und sahen zu, wie der Bäcker Teigbälle formte, die dann flach gedrückt und in einen Steinofen gelegt wurden, der mit kleinen Kieselsteinen gefüllt war. Jedes Fladenbrot brauchte nur ein paar Minuten, und dann wurde es an einen Assistenten weitergegeben, der die Steinchen entfernte, die noch am Brot klebten. Alle Leute in der Schlange unterhielten sich und warteten geduldig darauf, dass ihr Brot gebacken wurde. Da einige Leute vor uns bis zu 20 Fladenbrote bestellten, die dann einzeln gebacken wurden, warteten wir ziemlich lange. Endlich bestellten wir unsere 3 Brote. Sogar für Iran war das Brot extrem günstig und kostete uns nur 5000 Rial ($0,50) für 3 riesige Fladenbrote. Als unser Brot fertig gebacken war, wurde es gefaltet, und der Bäcker legte einen 5000 Rial Schein auf das heiße Brot, bevor er es Frederike gab. Er murmelte etwas über iranische Traditionen, lächelte und drehte ihr den Rücken zu, als sie versuchte, ihm das Geld zurückzugeben.
Von Lar aus ging es schnell bergab zum Persischen Golf, wobei die Abfahrt nicht ganz so einfach war, wie wir uns das gedacht hatten. Bevor wir Lar verließen, hatte uns ein Taxifahrer gewarnt, dass wir lange Zeit kein Wasser finden würden, und er hatte Recht. Für die nächsten 130km gab es keine Läden, ausser einer kleinen Hütte, in der man etwas Wasser und Pepsi kaufen konnte. Wir fragten auch an einer Polizeisperre nach Wasser. Im Gegenzug bot Guy ihnen ein paar Datteln an. Dankend nahm ihm ein Soldat das ganze Paket Datteln ab und ging damit davon. Hmm, so war das zwar nicht gedacht, aber da er eine AK-47 hatte, ließen wir die Sache auf sich beruhen und traten den Rückzug an. Nun mussten wir auf einen unserer Lieblings-Snacks verzichten, aber wir schafften dennoch unseren bisher längsten Tag mit 125km.
Da die Gegend kaum bewohnt war, war es sehr einfach, einen guten Platz zum Zelten zu finden. Wir campten in einem schönen ausgetrockneten Flusstal, wo wir den Abend damit verbrachten, die Sterne zu bewundern und über unsere lange Fahrt durch Europa und den Mittleren Osten nachzudenken, und auch darüber, wie wohl wir uns inzwischen in Iran fühlten. Nach 6 Monaten und 8500km wussten wir, dass dies wohl erstmal unsere letzte Nacht im Zelt sein würde, da wir in Indien und Südostasien wahrscheinlich nicht zelten werden.
Wir waren entschlossen, es am nächsten Tag nach Bandar Abbas zu schaffen. Es würde wieder ein langer Tag werden, aber wir standen früh auf und hatten glücklicherweise Rückenwind. Nachdem wir schon so lange Kamel-Warnschilder und (leider) überfahrene Kamele gesehen hatten, sahen wir endlich eine Herde von ca 20 Kamelen, die an Dornbüschen herumkauten. Sie waren größer als wir erwartet hatten, aber auch ziemlich zahm, so dass Guy sich recht nah herantraute, um Fotos zu machen.
Das andere, worauf wir gewartet hatten, war der Persische Golf. Aber wir waren fast in Bandar Abbas als wir endlich einen dünnen blauen Streifen am Horizont sahen. Seitdem wir Istanbul drei Monate vorher verlassen hatten, hatten wir das Meer nicht gesehen, und es war angenehm, unsere Augen an dem beruhigenden Blau zu weiden. Welch ein Kontrast von den Wüstenregionen, in denen wir so viel Zeit verbracht hatten!
In der Nähe von Bandar Abbas wurde die Straße viel von Lastwagen befahren, die Container zum nahegelegenen Hafen brachten. In den letzten Kilometern waren überall Laster, Lärm, dreckige Reparaturläden, und nicht viel Platz für Fahrräder. Nach einem weiteren langen Tag mit 123km kamen wir endlich in Bandar Abbas an, müde, etwas traurig dass unser Abenteuer in Iran vorbei war, aber auch froh, angekommen zu sein, und bereit für ein neues Kapitel.
Wir hatten erwartet, dass Bandar Abbas ziemlich heruntergekommen sein würde, aber fanden es eigentlich okay. Es gibt zwar viel Schmuggelei und einige seltsame Typen, aber es gibt auch ein modernes Einkaufszentrum und eine Art Promenade. Die Leute sind so freundlich und neugierig wie überall in Iran, und wir hatten eine lustige Begegnung mit einer jungen Frau, die Nüsse und Süßigkeiten verkaufte. Eine halbe Stunde lang las sie uns alle möglichen Wörter aus ihrem Englisch-Wörterbuch vor und lachte sich dabei halb kaputt. Dann wühlte sie in ihrer Handtasche herum und bestand darauf, Frederike ihre Flasche Parfüm zu schenken!
Unser Plan ist, die Fähre von Bandar Abbas nach Dubai zu nehmen, wo wir einige logistische Dinge erledigen müssen, bevor wir nach Indien fliegen. Wir haben auch gerade gehört, dass Frederike’s Vater seine Flugmeilen ausnutzen und uns in Dubai besuchen wird, und wir freuen uns schon auf ein bisschen Auszeit vom Radfahren.
Wir haben 2300km und 7 Wochen gebraucht, um durch Iran zu fahren, und manchmal waren wir wirklich nahe daran, wegen des starken Lastwagenverkehrs im Norden Irans aufzugeben. Während wir Iran auf jeden Fall als Reiseziel empfehlen würden, würden wir die Strecke zwischen Maku und Esfahan nicht per Fahrrad empfehlen, es sei denn, man findet eine ruhigere Strecke als die direkte Route, die wir genommen haben. Es sind dort einfach viel zu viele Lastwagen unterwegs. Die Strecke von Esfahan nach Bandar Abbas via Shiraz ist allerdings ziemlich gut zum Radfahren und hat uns gut gefallen. Die Leute sind überall sehr freundlich und ehrlich, das Zelten ist fantastisch, da es in Iran so viel Platz gibt, und wir haben uns immer sicher gefühlt. Die Landschaft ist zwar größtenteils nicht so spektakulär wie in der Türkei, aber sie ist interessant (es sei denn, man mag keine Mondlandschaften!). Für uns waren die Städte und die netten, großzügigen, neugierigen Leute das wirkliche Highlight Irans. Lasst Euch nicht von den Medien abschrecken. Iran ist ein sicheres Land für Reisende, und die herzlichen Leute hinterlassen einen bleibenden Eindruck. Iran war eines der größten Highlights unserer bisherigen Reise.
Khoda Hafez Iran.