Auf in den Balkan
Kroatien – Serbien
An unserem letzten Tag in Ungarn bekamen wir eine Empfehlung für einen Campingplatz von ungarischen Radfahrern, während wir unter einer Brücke eine Pause von der 38C Hitze einlegten. Als wir am Campingplatz ankamen, wurden wir gleich von einem vierbeinigen Freund besucht, der auf unserem Zeltboden lag, während wir versuchten, Boris aufzustellen.
Bald merkten wir, dass er nur darauf wartete, am Bauch gestreichelt zu werden.
Süß, dachten wir, aber in Wirklichkeit waren seine Absichten nicht so ehrlich wie wir erst dachten. Während er uns ablenkten, untersuchten seine beiden Komplizen unsere Satteltaschen und buddelten leise mit ihren Schnauzen darin herum, um Essen zu finden. Den ganzen Abend lang hatten wir Spaß mit den Hunden, aber das unterhaltsamste war, als sie mit den Sandalen eines anderen Campers davonliefen. Jeder Hund hatte eine Sandale, und als sie in verschiedene Richtungen liefen, schauten sie schuldbewußt zu uns zurück.
Auf dem Campingplatz gab es nur einen anderen Camper, ein deutscher Radfahrer mit einem perfekt organisierten Zelt. Wir fanden später heraus, dass er aus derselben Kleinstadt kommt wie Frederike, Uetersen in Schleswig-Holstein.
Es war etwas schockierend, sein Zelt zu sehen, da uns dann klarwurde, dass man auch Ordnung halten kann, aber leider sind wir von solcher Perfektion noch weit entfernt.
Am folgenden Tag hatten wir einige Grenzen zu überqueren, da wir erst von Ungarn nach Serbien, und dann gleich wieder von Serbien nach Kroatien fuhren. Grenzen sind immer etwas nervzehrend, denn wenn wir da nicht weiterkämen, müssten wir einen riesigen Umweg machen. Zum Glück wurden wir aber mit einem Lächeln begrüßt und durchgelassen.
Nach nur 15km in Serbien waren wir schon wieder in Kroatien. In Kroatien mussten wir erstmal einen Geldautomaten finden, aber alle drei hatten wir keine Ahnung, was der Wechselkurs war, also wussten wir nicht, wieviel Geld wir holen sollten. Am Ende basierten wir unsere Kalkulation auf den Preis eines Stücks Kuchen in einem Supermarkt in der Nähe, und wir rechneten aus, dass 200 Stücke Kuchen genug sein würden, um zwei Tage in Kroatien zu überleben.
Unsere einzige Nacht in Kroatien war in Vukovar, einer Stadt, die ziemlich viel Krieg erlebt hat. Vukovar wurde im 2. Weltkrieg heftig bombardiert, und dann in den 90gern im Jugoslawien-Krieg fast völlig zerstört. Es war schockierend, denn immer noch ist ca. jedes 5. Gebäude eine Ruine oder hat zumindest Einschußlöcher vorzuweisen.
Der zerstörte Wasserturm steht noch als Denkmal an den Krieg.
Was wir auf unserer Kamera nicht zeigen konnten, war die Freundlichkeit der Leute. Obwohl sie jeden Tag mit den offensichtlichen Erinnerungen an schlimme Zeiten leben müssen, waren sie doch sehr herzlich uns gegenüber.
Das einzige Problem, das wir in Vukovar hatten, war, dass es fast keine Unterkünfte gab. Das einzige Hotel war uns zu teuer. Di nahm sich trotzdem ein Zimmer, aber wir fragten erstmal einige Leute nach anderen Optionen. Während Guy herumfragte, kam Frederike auf der Straße mit einem deutschen Pärchen ins Gespräch. Die beiden waren mit einem selbstgebauten Floß auf der Donau unterwegs, von der Quelle bis zur Mündung. Es klang ziemlich verrückt, und so unterhielten wir uns für eine Weile. Als sie von unserer Suche nach einer Unterkunft hörten, boten sie uns netterweise an, unser Zelt auf ihrem Floß aufzustellen. Wir machten uns etwas Gedanken, so nah am Wasser zu campen, da es einen Sturm gab und uns immer noch die Erinnerungen von der Überflutung in Donauwörth jagten, aber wie oft kann man schon auf einem Floß schlafen? Sie führten uns zum Hafen, wo das Floß lag, und auf den ersten Blick konnte man sehen, dass es von einem talentierten Handwerker gebaut wurde.
Marek ist ein gelernter Handwerker, und hat ein tolles Floß gebaut.
Boris passte nicht auf das Floß, und so stellten wir ihn gleich daneben im Hafen auf.
Wir waren uns nicht ganz sicher, ob das legal war – naja, eigentlich wussten wir, dass es das nicht war, und so war uns etwas mulmig, als ein Polizeiboot in den Hafen fuhr. Der Pólizist warf uns einen kurzen Blick zu, lächelte und winkte uns zu.
Auf dem Floß bereiteten Marek und Louise uns eine leckere Mahlzeit zu.
Trotz des Gewitters schliefen wir sehr gut und werden die Großzügigkeit und Freundlichkeit der beiden immer in Erinnerung behalten. Ihre Abenteuerlust und Sorglosigkeit waren sehr inspirierend.
Am nächsten Tag ging es schon wieder zurück nach Serbien, und zwar nach Novi Sad, Serbien’s zweitgrößter Stadt. Serbien sah ärmer aus als Kroatien, mit mehr Müll auf den Straßen, und streunenden Hunden. Die Leute sind aber sehr freundlich, und viele hupen und winken uns zu, oder fahren im Auto neben uns her, um sich mit uns zu unterhalten. Viele Leute sprechen auch etwas Deutsch oder Englisch.
Montag Abend in Novi Sad fühlte sich eher wie Samstag an, mit vielen Erwachsenen und Kindern, die Eis aßen oder in Cafes saßen, jungen Leuten, die sich für die Disco vorbereiteten, und einer Band, die auf dem Marktplatz spielte. Die Stadt ist recht hübsch und im Gegensatz zu Kroatien sind die Gebäude in guter Verfassung, so dass man nicht ständig an den Krieg erinnert wird.
Wir fahren immer noch mit Di zusammen und werden hoffentlich bis Istanbul zusammenbleiben. Wir haben ungefähr den gleichen Rhythmus, und es ist schön, sich mal mit jemand anderem zu unterhalten! Ausserdem isst sie genauso gerne Eis wie wir.
Ihr Partner John unterstützt uns von zu Hause in England, sucht für uns Informationen im Internet, gibt uns die Wettervorhersage durch, organisiert Unterkünfte für uns und plant die beste Route durch Bulgarien. Die gute Planung ist momentan perfekt für uns, da wir in Istanbul Freunde treffen und am 18. August da sein müssen. Daher fahren wir jetzt ca 80-110km pro Tag, also etwas mehr als vorher.
Nach Novi Sad radelten wir nur für einen Tag bevor wir in Belgrad ankamen. Während unseres Aufenthalts trafen wir Vladimir, der für einige Hostels arbeitet indem er Leute dorthin bringt und im Gegenzug etwas Geld von den Hostels bekommt. Da wir unser Hostel bereits gebucht hatten, gab es für ihn keinen Grund, uns dorthin zu bringen, aber er ging trotzdem mit uns, um uns den Weg zu zeigen. Er hatte freundliche Augen und eine nettes Lachen, und als er gerade wegging, lief Guy ihm schnell hinterher, um ihn zu fragen, ob er einen Stadtrundgang mit uns machen würde. Er freute sich darüber und sagte, dass wir ihm nur ein wenig Geld geben sollten, wenn es uns gefiel. Sechs Stunden später hatten wir die meisten von Belgrads wichtigen Sehenswürdigkeiten gesehen, in einem serbischen Restaurant gegessen, waren in vielen Bussen umsonst gefahren und hatten kurz Vladimir’s Wohnung besucht, wo er seine Wäsche aufhängen musste.
Vladimir hatte uns sehr viel zu erzählen und wusste auch viel über die serbische Politik, da er mehrere Jahre für die Liberaldemokraten im Parlament gewesen war. Er arbeitet sehr viel, um etwas Geld zu verdienen, und trifft Touristen zu jeder Tages- und Nachtzeit am Bahnhof, um sie entweder in ein Hostel zu bringen, oder mit in seine kleine Wohnung zu nehmen. Er hat schonmal 14 Leute in seinem Wohnzimmer beherbergt, die jeder 2 Euro für die Nacht bezahlten. Vladimir kümmert sich auch um seinen alten Vater, der krank ist und in einem Dorf in der Nähe von Belgrad wohnt. Unsere Tour hat uns sehr gut gefallen, aber unsere Füße taten etwas mehr weh, als sie das nach einem „Ruhetag“ eigentlich tun sollten! Belgrad ist mit Sicherheit nicht die schönste Stadt, aber sie hat eine interessante Geschichte und viele Cafes und Restaurants, und dazwischen ein paar zerbombte Gebäude, die 1999 von NATO zerstört wurden.
Nachdem wir Belgrad verließen, campten wir in einem Feld am Straßenrand. Es war zwar ein gutes Plätzchen, aber nicht besonders angenehm, da wir nicht duschen konnten, obwohl wir den ganzen Tag in 40C Hitze gefahren waren. Zum Glück fanden wir am folgenden Tag einen Campingplatz bei Veliko Gradiste, an einem Bade- und Angelsee, dem Silbersee. Als wir uns vor einem Gewitter in eine Strandbar retteten, trafen wir Marco und seinen Vater, Sasha, dem der Campingplatz gehörte.
Sie fingen an, uns Getränke zu spendieren, und dann baten sie den Mann am Grill, uns traditionelle serbische Wurst und gegrilltes Brot zu machen. Das war ein etwas komplizierter Prozess und dauerte ein Weilchen, war aber sehr lecker. Sie lehnten alle unsere Angebote ab, ihnen auch etwas zu trinken zu kaufen oder für unser Essen zu zahlen, und sagten, dass wir sie einladen könnten, wenn sie mal in unserem Land zu Gast sind. Marco sagte immer wieder, wie schön es für ihn war, mit uns zu reden, und erklärte uns, dass Gäste in Serbien mit dem höchsten Respekt behandelt werden. Sie boten uns auch an, in einem Wohnwagen zu schlafen, falls es uns im Zelt zu nass sein sollte, und versuchten uns zu überzeugen, noch einen weiteren Tag zu bleiben. Wir waren dankbar und gerührt, dass sie sich so um uns kümmerten. Leider mussten wir dann wirklich etwas länger als geplant bleiben, da Di die serbische Wurst nicht vertrug! Nachmittags fuhren wir aber weiter, und sie radelte stoisch weiter, mit ein paar kurzen Nickerchen auf dem Weg.
Als wir den Silbersee verließen, fuhren wir entlang einer schönen Route direkt an der Donau. Die Berge von Rumänien auf der anderen Seite des Flusses und die drohenden Sturmwolken waren ein fantastischer Anblick. Zufällig fanden wir noch einen Campingplatz, der direkt neben dem Fluss lag. Es gibt auch einen kleinen Pier, der perfekt für einen morgendlichen Sprung ins Wasser aussah.
Wenn alles nach Plan geht, werden wir in ca 100km die Donau überqueren und uns nach Rumänien wagen, der Heimat von Graf Dracula. ||